Stephan Wittwer "sicht 04 etc." (domizil 22)

Das Zürcher Musik- und Medien-Label domizil wird im März 2004 die neue Doppel-CD sicht 04 etc. von Stephan Wittwer vorstellen:

Ein reiches, farbiges Album

Der notorische Experimentator und Geräuschkünstler hat neben erwartbaren Lärmattacken - zwischen Computercode und Gitarrenverzerrungen - einige Momente von sublimer Zartheit geschaffen. Besonders das lange Stück sicht 04 überrascht durch meditativ anmutende Ruhe, Kargheit, Sinnlichkeit. Ist das der Versuch einer Annäherung an eine Vorstellung von "musikalischer Schönheit"? Ein heikles Unterfangen, der Kitschverdacht liegt nahe, die Gefahr ist gross. Sehr lange bleiben synthetische und akustische Töne in einfachen harmonischen Zahlenverhältnissen im Raum stehen. Die Zeit scheint manchmal still zu stehen.

Das musikalische Material von sicht 04 basiert zum Teil auf Ideen und Samples, die der Musiker im letzten Jahrhundert für die bildenden Künstler Peter Fischli und David Weiss im Auftrag entwickelte.
Er vertritt aber eigentlich die Autonomie von Musik:
Das Spiel der Geräusche, Klänge und Töne muss keinen Sinn ergeben, es ist sich selber Zweck genug.

Das Stück LSRMstereo_ ist die CD-Fassung eines Auftragswerks für das Festival Taktlos Bern 2003. Es wurde dort in der ursprünglichen Mehrkanalversion im sog. "Hörraum" installativ abgespielt, umrahmt von Musik anderer Komponisten (u.a. Alvin Curran, Christian Fennesz, Otomo Yoshihide).

Die meisten Tracks auf sicht 04 etc. sind algorithmisch komponiert, z.T. mit stochastischen Methoden. Das jeweilige Original - die Partitur - ist ausfühbarer Computercode, also Text, in der Programmiersprache SuperCollider. Jede Wiedergabe unterscheidet sich in gewissen Grenzen von einer anderen Ausführung desselben Stücks. Die CD-Versionen sind einmalige Interpretationen, eingefroren und fix . Die von der CD unabhängige Existenz der Werke könnte man aber als vegetativ oder organisch bezeichnen.

Es gibt verspielte Miniaturen mit seltsamen Tieren, digitale Fantasien und vom physikalischen Instrument losgelöste Gitarrenklänge.

Cover art: Fischli / Weiss. Gestaltung: Medusa Cramer.

Biografisches

Stephan Wittwer wurde 1953 in Zürich geboren. Lebt daselbst.
Einflüsse durch divergente Strömungen diverser (Sub-) Kulturen (der Sechzigerjahre): Free Jazz, Psychedelik, Pop, Politik, Neue Musik, Aussereuropäische Musik.

In den Siebzigerjahren Vertreter der sog. "second generation of european improvisers", mit Veröffentlichungen u.a. auf dem massgeblichen Berliner Label FMP (Free Music Productions).
Die LP und? von Malfatti-Wittwer (Berlin 1978) wird beim jungen Kölner Label GROB als CD wieder veröffentlicht.

Seine letzte CD streams erhielt eine Honorary Mention von Ars Electronica 2002, siehe CD "DIGITAL MUSICS" (Sony DADC, ORF) und Buch "CyberArts 2002" (ORF).

Literargymnasium abgebrochen, Vorkurs Kunstgewerbeschule Zürich (Müller Emil), Lehrdiplom klassische Gitarre SMPV (Jury Clormann; Musiktheorie, Kammermusik: Walter Mahrer), Studio für elektronische Musik Basel (David Johnson), Vorspielstipendium der Stadt Zürich (klassische Gitarre), 1989 Werkjahresbeitrag der Stadt Zürich...

Bis 1997 auch zahlreiche Auftragsarbeiten für Film, Fernsehen, Video, Kunst, Werbung, Pop mit stilistisch-handwerklichen Spreizungen:
Z.B. 1982/3 Komposition, Produktion und Arrangements für/mit Gabi Delgado (Ex-DAF) und Conny Plank (Can, Neu, Ultravox...), Veröffentlichungen bei Virgin, London.
Producer von UnknownmiX (RecRec), Musik zu drei "Tatort"-Krimis. Als "sound neighbour" SwissView-Helikopterflüge (Originalversionen). Produktion/Komposition u. a. für Gen U One, Steamboat Switzerland, Women For Shopping...

Zusammenarbeit, Gruppen und Projekte u.a. mit

Einige CDs

Pressestimmen

John Cratchley in THE WIRE über streams:

...The energy created through juxtapositions within the sonic depth of field is maintained by the element of surprise. Wittwer generates background collages of subterranean rumble, built out of myriad pulses and signals. These exquisite constructions allow time to acclimatise to their alien configurations. He will then precisely position a delicate acoustic guitar finger hammer on a detuned string in the sonic foreground, the dislocation and familiarity of which makes you re-evaluate the whole elaborate framework. Sounds are explored and given time to reveal their other, hidden selves, contained within their undertones and complementary resonances. This textural metamorphosis suddenly refines back to a purely struck ringing guitar note growing into a moment of sustained feedback. The effect is highly charged and leads to moments of singular purity created out of adulterated density...

Felix Klopotek in SPEX:

...vielleicht der letzte lebende Metal-Gitarrist...

Mehr Infos

Die aktuellste Version des vorliegenden Dokuments:
http://wittwer.mu/zeux/sicht04etc.html
An english text in progress:
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wittwer.mu/w2/sw.html (umfangreiche Dokumentation)
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Das Label:
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Homepage: wittwer.mu
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